Freundliche Nachbarschaftsdienste zahlen sich aus. Zum einen grundsätzlich. Freundlichkeit ist nun mal immer eine gute Idee. Zum anderen gibt es zum Dank Geschenke. Meistens in Form von Schokolade. Zuletzt gab es zu der Schoki aber auch noch den Ratgeber »Die besorgte Katze« von Tierspsychologin Elke Söllner. Meine Nachbarin hatte bei dem Titel halt gedacht, das könnte was für die ängstliche Luz und mich sein.
Und siehe da, sie hatte damit völlig recht!
Die besorgte Katze – Was deine Katze dir sagen will
Dass Luzi mir viel zu sagen hat, weiß ich ja schon von Anfang an. Leider weiß ich auch von Anfang an, dass ich sie allzu oft nicht verstehe. Und antworten mag ich – zumindest in ihrer Sprache – auch nicht so gerne. Schließlich könnte ich mangels Kenntnis von Vokabeln und Grammatik unabsichtlich etwas sehr Unfreundliches sagen. Also begnüge ich mich mit meiner Sprache und führe so mit Luz manchmal sehr schräge Unterhaltungen.
An dem Buch interessierte mich jetzt auch nicht so sehr der Aspekt der Kommunikation. Dass die bei Katzen ohnehin sehr unterschiedlich sein kann, damit hatte ich mich kürzlich ja erst beschäftigt.
Mir war der Teil wichtig, in dem es um Psychosomatik und um Traumata geht. Denn dass Luzi eine Psychosomatik Katze ist, die ihre Traumata nie ganz verarbeitet hat, weiß ich schon seit einer ganzen Weile. Aber was ich dagegen oder vielmehr für sie tun kann, um ihr zu helfen – das war mir auch nach vier Jahren noch nicht ganz klar. Und genau hier setzt das Buch der österreichischen Tierpsychologin für mich an.
Die besorgte Katze zu PTBS bei Katzen
PTBS, das heißt zu gut Deutsch: Posttraumatische Belastungsstörung. Bekannt ist mir diese Erkrankung aus meiner früheren Tätigkeit als wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Uniklinik Köln.
Der Ratgeber »Die besorgte Katze« hat mir nun verdeutlicht, dass dieses psychische Krankheitsbild sehr wohl auch bei Katzen bekannt ist.
Bislang hätte und habe ich immer einfach nur gesagt, dass Luzi eine traumatisierte Katze ist. Die den Verlust ihres ehemaligen geliebten Menschen nie so ganz überwunden hat. Der sich vor allem aber auch das Einfangen durch die Feuerwehr und der Transport ins Tierheim in die Seele gefräst hat. So sehr, dass die Transportbox für sie der größte Feind und damit noch viel schlimmer ist als die Begegnung mit dem Tierarzt.
Woran erkenne ich, dass meine besorgte Katze an PTBS leidet?
Sehr interessant fand ich in dem Kontext nun die von Elke Söllner benannten Symptome der PTBS bei Katzen. Neun Symptome listet sie auf – und siehe da, das Luz ist bei mindestens sechs Punkten voll dabei:
- vermehrtes Fressverhalten
- reduziertes Putzverhalten
- weniger Interesse an Aktivitäten
- vermehrtes Vokalisieren
- übertriebene Anhänglichkeit und
- ständiges Bewegen der Schwanzspitze
Anfänglich ist die Luz viel herumgewandert, was auch ein Symptom sein soll. Aber ganz ehrlich, nach so einem Revierwechsel finde ich das eher eine normale Stressreaktion. Und später, als sie sich eingelebt hatte, hat das dann aufgehört.
Die genannten sechs Punkte aber, allen voran Luzis stets guter Appetit und ihre große Anhänglichkeit an mich als die eine Bezugsperson, diese Symptome sind auch vier Jahre nach dem Revierwechsel noch immer gleich stark vorhanden.
Spielen ganzer Jagdsequenzen
Nun betont die Autorin in ihrem Buch immer wieder, wie therapeutisch wertvoll doch das Spielen ganzer Jagdsequenzen sei. Gerade die sehr besorgte Katze würde davon sehr profitieren.
Aber ganz ehrlich: Auch wenn hier mal wieder eine Tiertherapeutin behauptet, jede Katze würde sich letztlich für Jagdspiele begeistern können – die Luz tut es nicht. Wirklich nicht.
Es sei denn, Essen ist im Spiel.
Nun hatte ich ja schon vor Längerem das einfachste Spiel der Welt eingeführt. Also das Schießen und Flitschen von Leckerli durch die Wohnung. Luz findet das auch ganz toll und läuft den Leckerli dann begeistert hinterher.
Nur haben wir das nicht so oft gemacht. Anderer Einsatz für Leckerli schien mir wichtiger. All das Bewegungstraining auf Rampe, mit Cavaletti, Pilatesball und co, das wir wegen ihrer Arthrose so machen. Irgendwo sind den Leckerli einfach Grenzen gesetzt. Sonst heißt es auch in den nächsten vier Jahren noch: Meine Katze ist zu dick.
Nun aber, da der Ratgeber so betont, dass das Durchspielen ganzer Jagdsequenzen therapeutisch hilfreich sei, spiele ich nahezu täglich mit Luz ein paar Runden Leckerli-Jagd. Und beachte dabei, dass mindestens drei wichtige Aspekte der Mäusejagd eine Rolle spielen.
Leckerli jagen in drei Schritten
Schritt 1: Lauern und anstarren
Vor Luzis Nase spiele ich mit einem Leckerli herum. Mal ruckartiger, mal langsamer deute ich an, es gleich in eine von mindestens zwei Richtungen zu schießen. Dabei gebe ich Luz die Chance, es auf jeden Fall mit den Augen und der Nase verfolgen zu können. Oder auch mit der Pfote danach zu schlagen. Dann erwischt sie natürlich manchmal meine Hand. Aber wehgetan hat sie mir dabei noch nie.
Schritt 2: Jagen
Und dann lasse ich das Leckerli in die eine oder andere Richtung unseren Catwalk entlang flitschen oder springen. Wenn ich das passende Timing habe, flitzt mein gemütliches Luz blitzschnell hinterher. Und so kann sie
Schritt 3: Beute machen.
Dabei fehlt natürlich der befriedigende Tötungsbiss. So ein Leckerli ist halt keine Maus. Und schnell verschlungen ist es auch. Groß damit herumspielen oder es gar wegtragen, dafür eignet es sich nicht. Aber das ist uns egal. Ganz im Gegenteil: Luz hat einen Heidenspaß daran und kommt schnell zu mir für die nächste Runde zurück.
Therapieerfolg: Luz ist selbstbewusster geworden
Ein paar Wochen spielen wir nun also fast jeden Tag ein paar Minuten lang dieses kleine Spiel. Und was passiert? Das Luz ist selbstbewusster geworden! Auf einmal kommt es zu Flirts, die ich nicht mehr für möglich gehalten hätte.
… Flirt mit unserem allergischen Freund
Was ich letzte Woche noch mit der Begeisterung von Katzen für Allergiker erklärte, könnte ich ebenso als Therapieerfolg bezeichnen. Dass Luzi so offen und interessiert auf meinen Freund, den »Handwerkerkönig« zugegangen ist, war einfach unglaublich. Verzückend. Beeindruckend.
Und wahrscheinlich eine logische Konsequenz aus dem regelmäßigen Training.
… Flirt mit dem Staubsauger
Tags drauf erlebte ich zum ersten Mal, wie Luz an der Düse des laufenden (!!!) Staubsaugers schnupperte. Wie sie diese Düse auf ihre übliche Art vorsichtig mit der Pfote berührte.
Dass sie nicht wirklich Angst vor Staubsaugern hat, war mir schon klar. Aber so nah ist sie dem Gerät, das für andere ein wahres Monster ist, noch nie gekommen.
Folgerichtig benutzte Romy daraufhin die beiden Worte Luzi und Superheld in einem Atemzug.
… Flirt mit Romy
Apropos Romy, die kam uns mal wieder besuchen. Und auch hier eine wie ausgetauschte Luz. Was hat sie Romy bislang mit spitzen Pfoten behandelt. Sich bestenfalls auf sie eingelassen, wenn ich nicht mit dabei war.
Und jetzt? Als wäre es das Normalste der Welt ist sie (wegen Leckerli, na klar) auf Romys Schoß geklettert. Hat mit uns beiden das Leckerli-Jagdspiel gespielt. Und auch wenn Romy da noch ein bisschen am Timing arbeiten muss. Selbst die weniger gut geschossenen Leckerli hat Luz begeistert und wie selbstverständlich gejagt und erlegt.
… Flirt mit der Bürste
Selbst bei der Fellpflege tun sich Neuerungen auf. Rücken und ein Gutteil ihrer Flanken durfte ich ja schon immer bürsten. Aber bei ihrer No-go-Area, also ihrem Bauch, und den Hinterläufen hörte der Spaß immer auf. Dann bekam ich ihre Pfote zu spüren. Zum Glück nicht ihre Krallen. Aber die Geste war unmissverständlich: Weg da!
Nun aber darf ich mich endlich den Verfilzungen an ihren Hinterläufen und dem überflüssigen Unterfell an ihrem Bauch widmen. Und Luz genießt es auch noch!
Die besorgte Katze entspannt
Mir fällt kein anderer Grund dafür ein, warum sich die ach so ängstliche Luz auf einmal so viel selbstbewusster und entspannter zeigt. Nichts sonst hat sich hier in Luzis Revier in den vergangenen Wochen verändert. Das Einzige, was hinzugekommen ist, ist das regelmäßige Spielen ganzer Jagdsequenzen mit Leckerli.
In dem Sinne war für uns »Die besorgte Katze« wirklich ein Ratgeber, der echt geholfen hat. Und da ist es mir auch völlig wurscht, dass das Buch über die Psychosomatik-Thematik hinaus nicht so viel Neues zu bieten hat.