Psychosomatik Katze: Alles Psyche bei der Luzi

Psychosomatik Katze? Zugegeben, Menschen haben die Tendenz, Erklärungen immer in Bereichen zu suchen, in denen sie sich auskennen. Alter Witz: Sucht ein Mann abends im Schein einer Straßenlaterne nach seinem Schlüssel. Fragt ein Passant: Warum suchen Sie ausgerechnet dort? Sagt der Mann: Weil ich hier was sehen kann.

Nun kenne ich mich in dem Bereich, in dem ich nach Antworten suche, immerhin bedingt gut aus. Psychosomatik war, da allerdings für Zweibeiner, der thematische Hintergrund meiner früheren beruflichen Tätigkeit. Das Konzept, dass Leben nicht nur auf Basis biologischer Prozesse existiert, sondern immer auch psychische und soziale Aspekte eine Rolle spielen, ist mir also nicht fremd. Doch gilt das auch für Katzen?

Immerhin besteht der Begriff Psychosomatik aus den beiden Komponenten Psyche und Soma, also aus Seele und Körper. Körperliches haben auch Katzen, klar. Aber haben Katzen eine Psyche? Wenn ich Luzi in die Augen schaue, sage ich spontan: Aber sicher das! Belegen lässt sich dies sicherlich nicht so einfach. So gilt auch der Begriff Tierpsychologie als eher schwierig. Denn befragen kann ich meine Luz in Sachen Erleben und Bewusstsein ja eher schlecht. Ihr Verhalten hingegen kann ich beobachten und bestenfalls auch sinnvoll interpretieren.

Wenn ich nun von meiner Luz als einer Psychosomatik Katze spreche, mache ich dies im Bewusstsein, hier auf dünnem Eis unterwegs zu sein. Ich betitele sie aber auch deshalb so, weil ich im vergangenen Jahr alles getan habe, um eine Erklärung für ihre Verdauungsprobleme zu erhalten. Heraus aber kam: Mit Ausnahme der Zähne gibt es keinen organischen Befund.

Luzi mochte wieder nicht mehr aufs Klo

Eines hatte ich mir nach Luzis erster Zahn-OP geschworen: Sollte sie wieder anfangen, ihr großes Geschäft nur noch alle paar Tage zu erledigen, würde ich sofort einen zweiten Termin bei unserer Tierärztin vereinbaren. Denn das war ja nun wirklich die große Erkenntnis: Luzi geht nicht nicht zum Klo, weil ihre Verdauung nicht gut funktioniert. 

Luzi geht nicht zum Klo, weil sie Zahnschmerzen hat!

Dieser Zusammenhang bringt jemanden wie mich schon auf die Idee, in Luzi eine Psychosomatik Katze zu sehen. Immerhin reden wir hier nicht davon, dass sie sich ihr Bein verrenkt hat und nun humpelt. Ebenso wenig reden wir davon, dass sie wegen der Zahnschmerzen die Futteraufnahme verweigert hätte. Das Schmerzerleben findet hier an der einen Stelle statt (den Zähnen) und bewirkt, dass es am anderen Ende (dem Darm) nicht flutschen mag.

Doch was wirkt da denn nun auf welche Weise? Ich halte meine Katze für durchaus schlau. Aber so schlau, dass sie bewusst den Stuhlgang vermeidet, weil das Kotabsetzen den Schmerz im Kiefer verstärkt? Sagt sie sich: Na, den Scheiß gebe ich mir besser nur alle paar Tage? Wohl eher nicht. Sorgt der Schmerz umgekehrt dafür, dass sich die Verdauungsprozesse verändern? Vielleicht.

Verdauung beginnt im Mund/Maul

Schnell übersehen: Verdauung beginnt im Mund. Also auch im Maul. Wenn es dort oben schon auf Basis von unter anderem entzündlichen Prozessen hakt, hakt es dann weiter unten im Trakt auch? Oder sorgt die Wahrnehmung des Schmerzes für eine Veränderung im Darm? Und welche Art von somatischer Veränderung könnte das sein: Sprießen nicht mehr genügend Verdauungssäfte? Bewegt sich der Darm nicht mehr ausreichend?

Und was ist mit ihrem relativ häufigen Erbrechen? Gibt es hierfür eine somatische Ursache? Oder ist auch das ein Beleg dafür, dass Luz eine Psychosomatik Katze ist?

Biopsychosozial – verdammt komplexe Angelegenheit

Zumindest bei Luzis erster Zahn-OP galt es, hoch entzündliche Prozesse zu befrieden. Wenn ein Organismus irgendwo eine solche Baustelle hat, ist es auch für mich als Nicht-Medizinerin durchaus nachvollziehbar, dass sich das an anderen Stellen des Organismus negativ bemerkbar machen kann. Zumindest aus der Humanmedizin ist bekannt, dass Entzündungen im Mundraum Herz-Kreislauf-Erkrankungen fördern können. Warum also nicht auch Verdauungsstörungen bei einer Katze?

Damit wären wir auf einer rein biologischen Ebene. Wenngleich völlig unklar ist, wie der Zusammenhang genau aussähe. Und dies wahrscheinlich auch keiner jemals erforschen wird. Solange nicht erheblich mehr Fälle bekannt sind, bleibt dies wohl Luzis Spezialität: Nicht kacken können bei Zahnschmerzen.

Aber was ist, wenn es gar keine entzündlichen Prozesse gibt? Was, wenn hier nicht die Ursache für den Schmerz, sondern das Erleben desselben im Vordergrund steht? Dann sind wir ganz schnell in einem Bereich, mit dem sich die menschlichen Patienten herumschlagen müssen, die keinen organischen Befund für ihre Symptome erhalten.

Aber wie ist es bei einer Katze? So wie in der Humanmedizin gilt es für Tiere, erst einmal auf organischer Ebene alles abzuklären, was man abklären kann. Die Diagnose Psychosomatik Katze kann letztlich nur am Ende stehen. Unter dem Motto:

»Wenn man das Unmögliche ausgeschlossen hat, muss das, was übrig bleibt, die Wahrheit sein, so unwahrscheinlich sie auch klingen mag.«

nach Sherlock Holmes (Sir Arthur Conan Doyle)

Luzis zweiter großer Tierarzt-Termin

Nun ist das so eine Sache mit schleichenden Prozessen. Irgendwie will man sie nicht so recht wahrhaben. Die ersten Aussetzer in Sachen Toilettengang habe ich nicht wirklich ernst nehmen wollen. Kann ja mal vorkommen, dass man nicht kann, oder? Als sie dann aber immer öfter nur jeden zweiten Tag ihr Geschäft verrichtet hat, war mir klar, dass ich nicht mehr allzu lange untätig sein sollte.

Schließlich kam Luz mir dann doch zuvor: Eines Tages Ende August lief sie schreiend von ihrer Toilette davon. Bis heute weiß ich nicht genau, was der Grund dafür war. Ich weiß nur, dass sie kurz zuvor zweimal hintereinander heftig erbrochen hatte, zudem matt und appetitlos gewesen war. Ein Diättag hatte nicht geholfen. Danach hatte sie drei Tage lang gar keinen Stuhl abgesetzt. Und dann diese Flucht vom Klo. Lactulose sei Dank konnte sie sich am vierten Tag endlich erleichtern. Aber so konnte es natürlich nicht weitergehen.

Mit Schmerzmittel auf den OP Termin warten

Also habe ich für Luzi einen Termin für ihre zweite Zahn OP abgemacht. Zudem habe ich mit der Tierarztpraxis besprochen, ihr in der Zwischenzeit täglich Schmerzmittel zu geben. Zwar waren wir uns nicht sicher, dass hier tatsächlich wieder Zahnschmerzen am Werke waren. Aber irgendwas tat Luzi offensichtlich weh.

Also gab es vier Wochen lang jeden Tag Metacam. Von dem ich inzwischen weiß, dass es ein bisschen nach Honig schmecken und eine leichte Zitrusnote im Abgang haben soll. Offenbar gehört es zum guten Ton für eine Tierärztin, die Medikamente auch mal selbst zu probieren.

In diesen vier Wochen unter regelmäßiger Schmerzmittelgabe hat sich die Toilettensituation auf alle zwei Tage stabilisiert. Nicht optimal, aber auf jeden Fall besser als zuvor. Und ein Indiz dafür, dass hier Schmerzen ursächlich für die vermeintlichen Verdauungsprobleme sind.

Große Diagnostik für eine kleine Katze

Luzis zweiter großer Tierarzt Termin galt nicht nur den Zähnen. Wenn sie schon mal wieder in Narkose liegt, dann soll jetzt alles untersucht werden, was sich untersuchen lässt. Samt Blutbild, Röntgen rauf und runter, Ultraschall. Außerdem gab es noch einen Knubbel an ihrem Rücken, der sollte auch entfernt werden. Ein großer Tag also für eine kleine Katze.

Und was kam dabei heraus?

Am Ende des Tages wusste ich mehr und war doch so schlau wie zuvor. Insgesamt war es ein (vorhersehbar) teurer Spaß. Dafür weiß ich jetzt: Auf somatischer Ebene geht es meiner Luzi super. Zumal es nun zwei Störenfriede weniger gibt. Alles andere? Ich sag nur: Psychosomatik Katze!

Die Zähne

Nach ihrer ersten Zahn OP hatte Luz noch 18 von den insgesamt möglichen 30 Zähnen einer Katze. Nun mussten noch zwei weitere daran glauben. Deren Wurzeln zeigten auf dem Dentalröntgenbild, das wir beim ersten Termin ja nicht anfertigen lassen konnten, erste Anzeichen für zerstörerische Prozesse. Entzündet wie die Kandidaten beim letzten Mal waren diese beiden aber nicht.

Luz hat nun auf der linken Seite keinerlei Backenzahn mehr. Rechts hingegen halten noch derer drei die Stellung.

Das Blutbild

Luzis großes Blutbild ist so gut, wie ein großes Blutbild nur sein kann. Mit einer Ausnahme: Einmal mehr dokumentierte ihr Blutzuckerwert ihre Angst und Panik bei der schlimmen Einfangaktion in den frühen Morgenstunden.

Wieder gab es Gabapentin, um Luzi milde zu stimmen. Was auch richtig gut funktioniert, sind wir in der Praxis angekommen. Aber zuvor, wenn Luz die Transportbox sieht, hilft keine chemische rosa Brille. Geflohen ist sie diesmal vor Romy durch Flur und Küche. Als Luz dann irgendwann meinte, im Flur die Wände im wahrsten Sinne des Wortes hochgehen zu müssen, konnte Romy sie schließlich doch greifen und in die Transportbox setzen. Luzis Blutzuckerwert erzählt von dieser Geschichte in harten Zahlen.

Update: Im Übrigen sei noch erwähnt, dass Romys Blutzuckerwerte, wären sie denn erhoben worden, wahrscheinlich auch Bände gesprochen hätten. Und auch um meine, die ich mir das schreckliche Schauspiel anschauen musste, stand es nicht allzu gut.

Röntgen und Ultraschall

Neben den Dentalaufnahmen gab es nun auch Bilder von der ganzen Luz. Unter anderem wegen der Vermutung, Arthrose könnte die Ursache für ihre mangelnde Bereitschaft zum Kotabsetzen sein. Soll heißen: Es könnte ja sein, dass ihr beim Hinhocken und Drücken Gelenke wehtun.

Dem Rücken geht es aber gut. Allen anderen Gelenken auch. Und auch alles Innenleben, also alle Organe, sehen auf den Bildern unproblematisch aus. So auch das Ergebnis von Ultraschall und rektaler Untersuchung. Wichtig war hierbei vor allem, dass Luz kein Megakolon entwickelt hat. Also keinen extrem geweiteten Enddarm, der sonst die Erklärung für ihre Probleme beim Kotabsetzen gewesen wäre.

Der Knubbel am Rücken

Nun hatte Luz zu allem Übel auch noch einen Knubbel im Bereich der rechten Schulter. Der war schon seit unserem Tierarzt Hausbesuch bekannt. Bereits damals hieß es, dass es sich wahrscheinlich nur um einen Grützbeutel handelt. Die Entfernung dieser gutartigen Zyste, auch Atherom genannt, stand auch auf der To-Do-Liste.

Nach dem Entfernen ist nun klar, dass es tatsächlich nur ein Grützbeutel war. Nun, da er weg ist, kann er zumindest nicht weiter anschwellen. Ursächlich für ihre Verdauungsprobleme war der jedenfalls nicht.

Psychosomatik Katze Luzi und ihre silberne OP-Wunde an der Schulter
Silberrücken Luzi: Einen Tag nach ihrer OP.

Veränderung am Gesäuge

Schließlich war noch eine Veränderung am Gesäuge aufgefallen. Nach erster Inaugenscheinnahme hieß es, dass es sich wahrscheinlich nur um einen leicht entzündlichen Prozess handelt. Zur Sicherheit habe ich aber noch eine histologische Untersuchung beauftragt. Die blieb zum Glück auch ohne Befund. Puh.

Kein Befund, also: Psychosomatik Katze

Luz brauchte ein paar Tage, um sich von diesem aufwändigen Termin zu erholen, da lief es klotechnisch noch nicht optimal. Seither aber erledigt sie jeden Tag ihr Geschäft. Dazu kann ich nur sagen:

A Haufen a day keeps the doctor away!

Mit Ausnahme der kaputten Zähne gab es also keinen organischen Befund, der als Erklärung herhalten könnte. Noch nicht einmal hatten wir es diesmal mit vergleichbar entzündetem Geschehen im Maul zu tun. Es spricht also viel dafür, dass Luzis Verdauungsproblem eine Reaktion auf das Schmerzerleben und nicht auf die Ursache für den Schmerz ist.

Auch für Luzis Erbrechen gibt es keinen organischen Befund. Auffällig ist nur, dass dies allzu oft als Reaktion auf Umweltreize verstanden werden kann, die Luzi als unangenehm empfindet. Besucher, Handwerker, übermäßige Freude, ein Anraunzen meinerseits. Nicht immer, aber sehr oft landet ihr Mageninhalt dann direkt oder einen Tag später auf dem Teppich. Andere würden sie deswegen vielleicht als überempfindlich, Sensibelchen, Mimose, Jetzt stell dich mal nicht so an bezeichnen. Ich sage nur Psychosomatik Katze und kann damit auf jeden Fall besser leben als mit einer schlimmen Diagnose wie Megakolon oder gar einer fatalen wie einer Krebsgeschwulst.

Neu gefundener Spieltrieb

Dass es auch Luz seither bessergeht, belegt nicht nur der Haufen, den ich jeden Tag wegräumen darf. Auch in Sachen Erbrechen hat sich die Lage gebessert. Am schönsten aber ist, dass meine Nicht-Jägerin nun immer wieder mal kleine Dinge jagt. So wie auf dem folgenden Video, das ich wenige Wochen nach dem großen Tierarzt Termin erstellen konnte, haben jedenfalls weder Romy noch ich unsere Luzi jemals zuvor spielen sehen.

Das Video habe ich bei Dailymotion veröffentlicht, der französischen Antwort auf Youtube. Die Datenverbindung findet übrigens erst nach dem Klick statt. Sollen keine Daten übertragen werden, dann bitte nicht klicken!

Aktivieren Sie JavaScript um das Video zu sehen.
Video-Link: https://www.dailymotion.com/video/x7po2kb

Schreibe einen Kommentar

Die im Rahmen der Kommentare angegebenen Daten werden von uns dauerhaft gespeichert. Cookies speichern wir nicht. Für weitere Informationen siehe bitte unsere Datenschutzerklärung.

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert