Kommunikation Tierarztpraxis – tierärztliche Gesprächsführung

In den Kommentaren des letzten Doktor-Luzi-Beitrags ging es noch einmal um die Frage, warum ich nicht weiß, welches Medikament die Luzi kürzlich verabreicht bekam. Wahrscheinlich überraschend kündigte ich an, darauf in einem Beitrag über die Kommunikation in der Tierarztpraxis eingehen zu wollen. Und hier ist er nun.

In diesem Beitrag geht es also um die Vermittlung von Information in der Tierarztpraxis. Es geht aber auch um die Prozesse der Aushandlung, die wir führen. Und die bitteren Pillen, die wir manchmal schlucken müssen. Erzählen möchte ich auch von guten Erfahrungen. Die mit Empathie und abgestimmtem Vorgehen zu tun haben.

Es geht also um die Frage, was eine gute tierärztliche Gesprächsführung ausmacht. Und wie bitter es werden kann, wenn diese gar nicht gut gelingen will.

Weil der Beitrag ziemlich umfangreich ist, hier ein Inhaltsverzeichnis:

Kommunikation in der Tierarztpraxis versus Humanmedizin

Vorweg steht die Erkenntnis, dass die Anforderungen an eine gute Kommunikation in der Tierarztpraxis nicht so viel anders sind als in der Humanmedizin. Ich denke, das beurteilen zu können. Immerhin habe ich einen Großteil meines beruflichen Lebens genau in diesem Bereich gearbeitet. Als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Uniklinikum Köln war die Arzt-Patient-Kommunikation mein Thema. Und dies, ohne ein Medizinstudium absolviert zu haben. Literatur und Sprache, das habe ich studiert.

Diese Tätigkeit hat Spuren hinterlassen. So bin ich als Patientin nicht mehr in der Lage, einfach so in ein (tier)-ärztliches Gespräch zu gehen. Unweigerlich laufen bei mir innere Prozesse der Bewertung ab. Immer wieder frage ich mich, ob mein Gegenüber überhaupt in den Genuss der entsprechenden Ausbildung gekommen ist. Oder wie er oder sie es geschafft hat, völlig unbefleckt daraus hervorgegangen zu sein.

Aber ich habe auch immer wieder gute Erfahrungen als Patientin gemacht. Zuletzt war ich beeindruckt, dass es mittlerweile sogar Zahnärzte gibt, die ihr Gesprächsverhalten erlernt haben. Allzu oft trifft man die allerdings nicht an.

In diesem Beitrag soll es aber nicht um Humanmediziner, sondern um Tierärztinnen* gehen. Und denen mangelt es an der entsprechenden Ausbildung.

* Der einfacheren Lesbarkeit halber und weil es so viele Frauen in dem Beruf gibt, benutze ich fortan die weibliche Form. Lebt damit, Tierärzte!

… fehlende Ausbildung

Hier haben wir schon einen wesentlichen Unterschied zwischen der Kommunikation in der Tierarztpraxis und der in der Humanmedizin. In der Humanmedizin ist ärztliche Gesprächsführung seit über zwanzig Jahren verpflichtender Teil der Ausbildung. Die Veterinärmedizin hingegen kennt keinen verpflichtenden Unterricht in Sachen Kommunikation. Entsprechende Kompetenzen müssen sich Tierärztinnen im Nachhinein selbst erarbeiten. Zum Beispiel durch Kurse, die sie dann auch selbst bezahlen müssen.

Kurse gibt es offenbar auch zu Marketing und Verkauf. Klar, kann man auch machen. Doch mit Kommunikation meine ich tierärztliche Gesprächsführung, in der es um Diagnose und Therapie geht.

Den Mangel an dieser Ausbildung beklagen mittlerweile auch die Tierärztinnen selbst. Aber immerhin gibt es endlich Studien zu dem Thema.

Sehr interessant und lesenswert ist zum Beispiel die Doktorarbeit von Alina Küper. Von Empathie und Partnerschaft: Kommunikation und Partizipation in der Tierarztpraxis des digitalen Zeitalters. Dissertation FU Berlin 2023.

Kürzer, aber nicht minder lesenswert: Tipps und Tricks für die Besitzerkommunikation.

Vor allem auf die Dissertation werde ich im Folgenden immer wieder Bezug nehmen.

… Kunden statt Patienten

Ein zweiter Aspekt, der den Unterschied ausmacht, kommt hinzu. Während in der Humanmedizin niemand von Kunden statt Patienten sprechen würde, scheint es in der Tiermedizin diese Tendenz zu geben. Dann werden wir zu Kunden von Dienstleistern, die uns ihre Serviceleistung anbieten und verkaufen wollen.

Dass (Tier)-Ärztinnen auch Unternehmerinnen sind, die ihre Praxis finanzieren müssen, sei dabei völlig unbenommen. In der Humanmedizin werden aber nur IGeL-Leistungen verkauft. Zumindest gesetzlich Versicherte können sich sicher sein, keine neue Hüfte angeboten zu bekommen, wenn die nicht unbedingt nötig ist.

Demgegenüber gilt für Tiere ohne Krankenversicherung immer, dass Behandlungen zu Posten auf Rechnungen werden. Das gilt es auch zu kommunizieren. Und zwar bestenfalls vorher und eingedenk, dass wir nicht alle Krösus sind.

Doch bleiben die Tiere immer Patienten. Und wir Menschen von diesen Tieren sind nicht nur die Angehörigen, die für die Bezahlung sorgen müssen. Wir sind auch die wesentliche Informationsquelle für die Diagnose und die Verantwortlichen, die für die Therapie sorgen müssen.

Das Gespräch findet also mit uns statt. Und da gelten letztlich dieselben Regeln wie bei jeder ärztlichen Gesprächsführung.

… Diagnose am Telefon

Ein dritter Aspekt, der in der Kommunikation einer Tierarztpraxis auch anders ist, ist der der Diagnosemitteilung am Telefon. Humanmediziner lernen bereits während des Studiums, dass dies ein No-Go ist.

Üblich ist es, dass zum Beispiel die Ergebnisse der Blutuntersuchung am Telefon besprochen werden. Die Ergebnisse immer in einem zweiten Termin zu besprechen, wäre für beide Seiten eine zeitliche Herausforderung. Abends am Telefon geht das in diesem Sinne schon besser.

Solange dabei nur Informationen fließen wie »Alles in bester Ordnung!«, ist das auch okay so.

Anders sieht es aus, wenn plötzlich ein oder mehrere Werte nicht mehr in Ordnung sind. Wenn sich daraus plötzlich eine schwerwiegende Diagnose ableitet. Unverhofft geht es nun also auch um die erforderliche Therapie. Spätestens jetzt sollte das Gespräch nicht länger am Telefon stattfinden.

Beispiel: Luzi und die Schilddrüse

Im Zuge von Luzis geriatrischem Vestibularsyndrom hatte ich das ohnehin anstehende geriatrische Blutbild machen lassen. Für die Ergebnisse sollte ich einen Tag später anrufen.

Das Gespräch begann gleich sehr unglücklich. Eigentlich hatte die Tierärztin uns eine neurologische Untersuchung verordnet. Die ließ sich aber nicht so einfach umsetzen mit einer Angstkatze, die auf Transport und Untersuchung aversiv reagiert. Dass wir stattdessen bei einer anderen Tierärztin gewesen waren und es dort mehr um Lebensqualität denn um Neurologie gegangen war, traf auf großes Missfallen.

Der Einstieg war also schon mal schlecht gelaufen. Es folgte die für mich völlig überraschende Diagnose der Schilddrüsenüberfunktion.

Zwar kann ich mich nicht beschweren, nicht aufgeklärt worden zu sein. Doch die Informationen kamen in rasantem Tempo. Definitiv zu schnell für mich, die ich noch an der Diagnose zu schlucken hatte.

Gewünscht hätte ich mir das Ganze in einem ruhigen Setting. Von Angesicht zu Angesicht. Und mit der Möglichkeit, mehr Fragen stellen zu können. Woher das plötzlich kommt. Welche Alternativen es für die Therapie gibt. Das alles musste ich mir letztlich selbst anlesen.

Beispiel: Joschi und die plötzliche Lähmung

Kater Joschi und seine Romy nach ihrer Erfahrung der tierärztlichen Gesprächsführung. foto: Romy
alles überstanden, alles wieder gut

Joschi litt letzten Herbst plötzlich an akutem Nierenversagen und musste in eine Klinik. Die Werte und sein Zustand hatten sich zum Glück schnell stabilisiert. Also konnten Romy und ihr Lebensgefährte ihn bereits nach drei Tagen wieder abholen. Zuhause angekommen, waren allerdings Joschis Hinterläufe plötzlich gelähmt.

Romy und ihr Freund brachten ihn noch am selben Abend zurück in die Klinik. Die Fachärztin war aber erst am nächsten Tag wieder vor Ort. Also blieb Joschi noch einmal über Nacht. Zumal auch nicht sicher war, ob er Kot und Urin absetzen konnte.

Beim Telefonat am nächsten Tag hieß es dann, dass ein MRT vonnöten sei. Dafür müsste Joschi aber sediert werden, was sie wegen seiner Nieren ungern tun würden. Die Alternative kam auf Nachfrage: ihn »erlösen«.

Romy war daraufhin nicht mehr in der Lage, das Gespräch weiterzuführen. Stattdessen sprach sie mit ihrem Freund und rief dann völlig aufgelöst mich an.

Ich war erst einmal reichlich fassungslos. Ob der gesamten Geschichte natürlich. Aber auch ob dieser Wahl zwischen Pest und Cholera. Gibt es kein Vorgehen, bei dem Joschis Nieren nicht leiden? Wie kann die einzig andere Option sein, direkt sein Leben zu beenden?

Zu dritt besprachen wir, das MRT machen zu lassen. Und sollten die Ergebnisse fatal sein (zum Beispiel ein inoperabler Tumor), sollte die Tierärztin Joschi nicht mehr aufwachen lassen.

Wieso das bei einem zweiten Telefonat mit der Tierärztin nicht verstanden wurde, sodass es hinterher hieß: »Sie wollten doch kein MRT!«, wird sich wohl nicht mehr klären lassen. Überliefert ist jedoch, dass die Tierärztin Joschi gar nicht einschläfern wollte, denn dafür ginge es ihm doch viel zu gut.

Erlösen statt Einschläfern

Erst Wochen später habe ich verstanden, dass es das Wort »erlösen« war, das Romy derart den Boden unter den Füßen weggezogen hatte.

Die Ärztin hatte »erlösen« gesagt, nicht »einschläfern« oder gar »euthanasieren«. Und das kam bei Romy so heftig an. Sie hatte es als Einschätzung verstanden, die sagen wollte: »Joschi geht es so schlecht, der leidet so sehr. Das können wir ihm nicht länger antun. Wir müssen ihn erlösen.«

Die Tierärztin hingegen hat wahrscheinlich angenommen, sich mit diesem Begriff besonders empathisch zu zeigen. So sehr kann man sich täuschen!

Joschi geht es übrigens wieder gut. Tags drauf kam Tierosteopathin Barbara Renz. Ihre Tipps, so vor allem das Bürsten und Massieren seiner Pfoten, haben dafür gesorgt, dass er nur wenige Tage später wieder gehen konnte. Mittlerweile bewegt er sich, als sei nie irgendwas gewesen. Aber bei Romy sitzt dieses Telefonat ganz tief.

Option: Beratungstermin statt Telefonat

In Fällen wie den beschriebenen wäre es sinnvoll gewesen, am Telefon nur zu besprechen, dass ein Beratungstermin angezeigt ist. Überdies wäre auch noch schriftliches Infomaterial schön.

Konkret meine ich, dass mir unsere Tierärztin hätte eine Einzelfallberatung anbieten können. Am Folgetag musste ich mir ohnehin das nötige Medikament abholen. Sie hätte mir also anbieten können, im Rahmen eines Gespräches alles Wichtige zu erklären und meine Fragen zu beantworten. Wenn mich das dann nochmal was gekostet hätte, wäre das für mich okay gewesen. Einzelfallberatung ist nicht so teuer.

Ähnlich bei Romys Geschichte. Direkt am Vorabend hätte ein Termin für den Folgetag abgesprochen werden können. Bei dem dann alle Möglichkeiten auf den Tisch hätten kommen können. Aber bitte nicht nur Pest und Cholera. Immerhin müssen Tierärztinnen immer damit arbeiten, dass Patienten-Angehörige bildgebende Verfahren gar nicht bezahlen können.

Hätten sie von Angesicht zu Angesicht miteinander gesprochen, hätte sich das fatale Missverständnis wahrscheinlich schneller auflösen lassen. Zumindest hätte die Chance dazu bestanden. Die Tierärztin hätte vielleicht gesehen, wie Romy alles aus dem Gesicht fiel. Sie hätte die offensichtliche Emotion direkt ansprechen können.

Im persönlichen Gespräch hätte vielleicht auch die Chance bestanden, alles andere Fragwürdige rund um diese Geschichte zumindest mal anzusprechen.

Zeit für die Kommunikation – nicht nur in der Tierarztpraxis

Wie oft haben wir damals gehört, dass für mehr Gespräch doch gar nicht die Zeit sei. Das war der wesentliche Vorbehalt in der Humanmedizin. Und ich denke, so sehen es auch die Tierärztinnen.

Dabei geht es gar nicht die darum, mehr Zeit zu investieren. Es geht darum, den Zeitrahmen besser zu nutzen. Das beginnt damit, dass alle Beteiligten wissen, wie groß oder klein dieser Rahmen ist.

Der Zeitrahmen lässt sich vor allem besser nutzen, wenn Patienten erst einmal die Gelegenheit haben, den Grund für die Konsultation zu benennen. Ist doch logisch, mag da so manche jetzt denken. Ist es aber in der Praxis nicht.

Studien haben gezeigt, dass Ärztinnen bereits nach 30 Sekunden ihre Patienten unterbrechen. Dabei würden Patienten ihr Rederecht bereits nach zwei Minuten von sich aus abgeben. Siehe hierzu zum Beispiel Langewitz et al 2002.

In diesen zwei Minuten, stünden sie denn zur Verfügung, erzählen Patienten bereits alles, worauf es ankommt. Zumindest aber erzählen sie alles, von dem sie denken, dass es darauf ankommt. Auch das ist eine wichtige Info.

Aktives Zuhören führt also zu mehr Erkenntnis. In dem Sinne lässt sich das ganze Gespräch gestalten. Ohne dabei auszuufern. Mittels verschiedener Techniken lassen sich in derselben Zeit also mehr Informationen generieren, als wenn die Kommunikation nicht patienten-, sondern arztzentriert verläuft.

Kommunikation auch in der Tierarztpraxis in sechs Schritten

Details explorieren, das ist nur eine Aufgabe der Kommunikation in der Tierarztpraxis
Luzi exploriert Details

Damals an der Klinik hatten wir das Manual ärztliche Gesprächsführung und Mitteilung schwerwiegender Diagnosen entwickelt. Jahrelang war es fester Bestandteil des Unterrichts, nicht nur an der Kölner Fakultät. Leider ist das Manual nicht mehr erhältlich.

Eine ironische Betrachtung bietet aber noch immer das Video mit Kabarettist Konrad Beikircher. Scharfzüngig nimmt er das Thema aufs Korn, passend zu den animierten Illustrationen von Franziska Becker.

Das Manual bestand aus sechs Schritten, die da waren:

Beziehung aufbauen. Anliegen anhören. Emotionen zulassen. Details explorieren. Vorgehen abstimmen. Resümme ziehen.

Jeder dieser sechs Schritte lässt sich auf die Kommunikation in der Tierarztpraxis übersetzen. Denn auch hier gilt es, eine Beziehung aufzubauen, das Anliegen anzuhören und wesentliche Details zu erfragen.

Aber es geht auch und gerade um die beiden Schritte Zulassen von Emotionen und das Abstimmen des Vorgehens.

Empathie und Emotionen gehören zur Kommunikation in der Tierarztpraxis

»Für beinahe alle Patienten nehmen Menschlichkeit und ein empathisches Entgegentreten einen höheren Stellenwert ein als Fachkompetenz«, schreibt Alina Küper in ihrer Dissertation.

Dennoch wird Empathie zumeist unterbewertet. Das gilt nicht nur für die Kommunikation in der Tierarztpraxis. Vor dem Zulassen von Emotionen haben sehr viele (Tier)-Ärztinnen schlicht Angst.

Aber was genau bedeutet Empathie eigentlich, was das Zulassen von Emotionen?

Ganz sicher bedeutet beides nicht, dass Tierärztin und Patientin miteinander weinen sollen. Hingegen an passender Stelle miteinander zu lachen, erweist sich für die Beziehung als sehr förderlich! Siehe hierzu auch: Mit Humor geht alles leichter.

Empathie bedeutet, am emotionalen Erleben anderer teilzuhaben. Dazu gehört auch, Gefühlsäußerungen wahrzunehmen und eine passende Rückmeldung zu geben. Für die passende Rückmeldung gibt es entsprechende Techniken. Diese erfordern aber die Bereitschaft, überhaupt Emotionen zulassen zu wollen.

Wenn die entsprechenden Techniken angemessen eingesetzt werden, kann das Ganze sogar einen therapeutischen Wert haben. In jedem Fall dient das Vorgehen dem Aufbau von Vertrauen.

Vertrauen

»Je mehr Vertrauen in einen Arzt gesetzt wird, desto größer ist die Bereitschaft zu regelmäßiger Vorsorge und desto höher sind die Therapietreue, die Treue zum Arzt, das Wohlbefinden und die Zufriedenheit der Patienten«, schreibt Alina Küper.

Vertrauen macht uns verletzlich. Wenn ich jemandem mein Vertrauen schenke, habe ich oft mehr zu verlieren als zu gewinnen. Erzwingen lässt sich Vertrauen nicht.

Für die Situation in der Tierarztpraxis bedeutet dies, dass es ohne Vertrauensvorschuss nicht funktionieren kann. Wenn ich etwas nicht selbst richten kann, muss ich darauf vertrauen, dass die Tierärztin es kann. Umgekehrt sollten Tierärztinnen aber auch uns vertrauen können. Sonst ist Kooperation nicht möglich.

Dummerweise haben beide Seiten bereits Vorerfahrungen gemacht. Die haben oft leider mit Missbrauch von Vertrauen zu tun. Diese Art von Enttäuschung erfahren wir alle aber immer wieder im Leben. Es gilt also, daraus zu lernen. Keinesfalls jedoch, nur noch misstrauisch zu handeln. Denn das hilft definitiv nicht weiter.

Beim Vertrauen spielt vor allem Ehrlichkeit eine große Rolle. Und um die besser einschätzen zu können, helfen Aspekte der nonverbalen Kommunikation. So zum Beispiel der Blickkontakt, der bei einem Telefonat natürlich komplett entfällt. Das gilt auch für Gestik und Mimik. Auch sie helfen bei der Einschätzung, ob mein Gegenüber aufrichtig und wahrhaftig erscheint.

Vorgehen abstimmen – gemeinsame Entscheidungsfindung

Gerade das Abstimmen des Vorgehens setzt Kooperation voraus. Es geht um die gemeinsame Entscheidungsfindung, die so bedeutsam für den Therapieerfolg ist. Auf Neudeutsch spricht man von Shared Decision Making.

Aber was genau bedeutet das? Es bedeutet, dass sich mindestens zwei Parteien aktiv und ungestört in Hinblick auf Diagnostik und Therapie einbringen. Sodann stimmen sie das Vorgehen gemeinsam ab, auf dass beide Parteien an der Umsetzung arbeiten können.

Dazu ist es nötig, dass sich beide Parteien auf Augenhöhe begegnen. Es gilt also als Erstes sicherzustellen, dass beide über dieselben Informationen verfügen.

Sicherlich werden sie niemals wirklich über dieselben Informationen verfügen. Immerhin hat hier nur eine von beiden das Fach studiert und Berufserfahrung gesammelt. Während wir bestenfalls bereits Expertinnen der Erkrankungen unserer Tiere sind. Weil wir es schon jahrelang mitmachen. Oder weil es nicht das erste Tier mit dieser Erkrankung ist. Oder weil wir einfach unfassbar gut googeln können.

… Informationen angemessen vermitteln

Zum Job einer Tierärztin gehört es also, uns Angehörige zu schulen. Wir müssen die Erkrankung verstehen lernen, um die Therapie umsetzen zu können. Dass Tierärztinnen dabei nicht mit Fachbegriffen nur so um sich werfen sollten, gehört zum kleinen Einmalleins. Und das ist auch gut und richtig so.

Dennoch wünschte ich mir, dass Tierärztinnen ihre Sinne öffnen und ein Gefühl für das Gegenüber entwickeln. Will er oder sie mehr wissen? Kann ich ihr oder ihm auch mal einen Fachbegriff zumuten? Einmal erklärt, könnte der Fachbegriff die Kommunikation manchmal durchaus erleichtern.

Dr. Internet mischt mit bei der Kommunikation in der Tierarztpraxis

Nicht immer ist es sinnvoll, auf einen Fachbegriff zu verzichten. Das sehe ich so in allen Bereichen, nicht nur im Rahmen der Kommunikation in der Tierarztpraxis. In meinem Bereich habe ich viel mit englischen Begriffen zu tun. Oft umständliche Übersetzungen machen Gespräche auf Dauer nicht einfacher.

Dies gilt gerade eingedenk der Möglichkeiten, das Internet zu befragen. Mit welch Fachtermini werfen Menschen allein in den einschlägigen Foren um sich. Man könnte meinen, die seien alle Fachpersonal. In dem Kontext wirkt es manchmal fast schon hilflos, wie sich Tierärztinnen sklavisch an dem Rat festhalten, immer Laiensprache zu benutzen.

Dabei ist es offenbar nicht nur mein Eindruck, dass (Tier)-Ärztinnen das Internet verfluchen. Aus der Dissertation von Alina Küper geht hervor, dass sie tendenziell nur die Nachteile sehen – statt sich auch über die Vorteile zu freuen. Und sie zu nutzen. Indem sie zum Beispiel auf gute Anbieter hinweisen.

Kennengelernt habe ich beides. Bei unserem ersten Hausbesuch hieß es damals mehrfach: »Notieren Sie sich das mal, das können Sie googeln.« Mir gefiel das. Bei allen späteren Kontakten mit Tierärztinnen hatte ich hingegen den Eindruck, ihnen das Ergebnis meiner Recherchen schonend beibringen zu müssen.

»Tendenziell negativ ist die Einschätzung des Selbstinformationseinflusses auf die Ansprüche der Patienten an den Arzt: 45 % der Befragten empfanden, dass vielfach unangemessene Erwartungen geschürt werden, ein weiteres Drittel empfand dies als teilweise zutreffend. Ein etwa gleich großer Teil berichtete über eine Verwirrung der Patienten und somit eine Belastung des Vertrauensverhältnisses durch Selbstinformation«, schreibt Alina Küper.

In der Tat können diese angelesenen Infos durchaus falsch und fehlerhaft sein. Oder sie führen zu falschen Schlüssen. Ich habe doch wirklich geglaubt, Luzi zeige Anzeichen der Demenz. Wie sehr ich mich da doch habe täuschen lassen.

Welches Medikament ist es?

In dem Kontext der einfachen Sprache sehe ich nun auch das eingangs erwähnte Problem, dass ich nicht weiß, welches Medikament Luzi zuletzt so geholfen hat.

Bestimmt steht dahinter auch noch ein anderer Grund. Einer, der was mit unternehmerischer Entscheidung zu tun hat. Aber tatsächlich habe ich noch gar nicht insistiert, den Namen genannt zu bekommen.

Ich wollte vor allem wissen, ob es sich um ein Mittel im Sinne des Cortison handelt. Das hatte Luzi ein Jahr zuvor bekommen. Und auch da weiß ich gar nicht, welches Medikament genau es war. Prednisolon, wahrscheinlich. Aber ich hatte nicht gefragt. Und es stand auch nicht auf der Rechnung.

Nun erhielt ich eine ausführliche Antwort, ganz im Sinne der einfachen Sprache. Keine Fachbegriffe. Keine komplizierten Bezeichnungen. Aber reichlich Information. An der Stelle hätte ich natürlich nachfragen können. Allein hat mir mein Bauchgefühl gesagt, dass ich es erst einmal dabei bewenden lassen sollte.

Option: Benennung auf der Rechnung

Ob ich während des Gesprächs immer in der Lage wäre, mir den Namen des Medikamentes zu merken, ist ohnehin fraglich. Deshalb halte ich es für eine sinnvolle Option, wären die Namen der angewandten Medikamente verpflichtend Teil der Rechnung.

So ist es aber nicht. Einzig der Mobile Tiernotdienst listet sie dort namentlich auf (wahrscheinlich im Sinne der Kommunikation mit der Tierarztpraxis). Alle anderen belassen es bei »angewandte Medikamente«.

Therapietreue – eine Frage der Kommunikation in der Tierarztpraxis

Therapietreue – oder Neudeutsch auch Compliance – bedeutet, dass Patienten die notwendigen Maßnahmen auch tatsächlich durchführen. Pünktlich Medikamente einnehmen. Regelmäßig Werte kontrollieren. Verbände wechseln. Solche Sachen.

Tatsächlich ist es aber so, dass wir alle vergesslich sind. Oder den Sinn des Ganzen nicht wirklich verstanden haben. Wenn Frau Doktor uns dann aber fragt, ob wir die Therapie eingehalten haben, antworten wir natürlich mit: »Ja!« Weil die meisten von uns gefallen wollen. Oder weil wir denken, dass »meistens« mindestens so gut wie »regelmäßig« ist.

Der Punkt ist, dass es um die Therapietreue nicht allzu gut steht. Weder in der Human-, noch in der Tiermedizin.

Laut der Studie von Alina Küper gibt es eine ganze Reihe von Aspekten, die negativen Einfluss auf die Therapietreue haben. Dazu gehören zum Beispiel unsere Vorerfahrungen. Aber eben auch fehlende kommunikative Fertigkeiten der Tierärztin.

Umgekehrt verwundert es nicht, dass sich ausführliche Aufklärung und die gemeinsame Entscheidungsfindung sehr positiv auf die Therapietreue auswirken.

Häufig wechselnde Tierärztinnen

Mangelnde Kontinuität, also der häufige Wechsel von Tierärztinnen, trägt laut Alina Küper übrigens auch nicht zur Therapietreue bei. Und damit ist nicht Praxis-Hopping gemeint. Gemeint ist der Wechsel der Tierärztin in größeren Praxen oder Kliniken.

Was in Kliniken sicherlich schwieriger zu lösen ist, scheint in Praxen doch eigentlich recht einfach, oder? Dies ist meine Tierärztin, dachte ich mal, und ich fand sie sehr gut. Wenn ich also um einen Termin bitte, so dachte ich, werde ich wieder genau diese Tierärztin treffen.

Aber das war dann doch nicht so. Bald musste ich feststellen, dass es mir mit der großen Praxis geht wie in einer Klinik. Immer jemand anders. Und die hat sich im Zweifel noch nicht mal gut vorbereitet.

Dass das dann nicht zur Therapietreue beiträgt, wundert mich nicht.

Nochmal zur Schilddrüse

Schilddrüsenüberfunktion ist ein wunderbares Beispiel für die fehlende Therapietreue.

Katzen zeigen die Überfunktion nicht unbedingt. Ja, manche magern ab oder werden hyperaktiv oder gar aggressiv. Luzi aber blieb dick, gemütlich und ein Lämmchen. Es schien ihr also weitgehend gutzugehen. Bis sie Thyronorm bekam.

Dass Thyronorm als Nebenwirkung für Erbrechen, Appetitlosigkeit und Lethargie sorgen kann, wusste ich. Dass das Medikament aber ihre Lebensqualität derart beeinträchtigen würde, damit hatte ich nicht gerechnet. Zuletzt habe ich gesagt: »So können wir sie auch gleich einschläfern.« Immerhin reden wir hier von einer lebenslangen Gabe, nicht nur von ein paar Tagen.

Darüber wäre zu sprechen gewesen. In einem ruhigen Setting von Angesicht zu Angesicht. Das hat so aber nie stattgefunden. Stattdessen gab es wieder nur ein Telefonat. Und in dem hieß es, dass ich eine Senkung des T4-Wertes ohne das Medikament in vorgeschriebener Dosierung nicht erreichen würde.

Eine Reduzierung der Dosis? – Auf keinen Fall. Eine Jod-arme Diät? – Das würde ich doch nicht durchhalten.

Therapieerfolg durch abgestimmtes Vorgehen

Abgestimmtes Vorgehen fand dann erst in der neuen Praxis statt. Hier war von Einschleichen des Medikaments die Rede. Beginnend mit einem Zehntel der Dosis. Das aber auch nur, sofern ich es nicht schaffe, den T4-Wert mit Jod-armer Diät zu senken. Dazu stünden die Chancen gut, Luzis Wert sei ja nicht so hoch.

Wie viel Jod es denn sein darf, wollte ich wissen. Nannte Futterhersteller, die der Doc kannte und für okay befand. Und fragte, ob ich mit 10 Gramm Leckerli alles torpediere. »Rechnen Sie es sich doch selbst aus!« lautete die Antwort. Das lud mich ein, aktiv die Therapie mitzubestimmen.

Als der Wert dann wieder in den Referenzbereich gefallen war, strahlten wir beide, der Doc und ich. Da wollte er wissen, mit welchem Futter ich es geschafft hatte. Und weil er nicht alle Hersteller kannte, bat er um Namen und die analytischen Werte.

So funktioniert das Abstimmen des Vorgehens. Und dann funktioniert es auch mit der Therapietreue und dem Erfolg.

Tierärztinnen sind auch nur Menschen

»Was soll ich denn nicht noch alles können?«, mag sich manche Tierärztin fragen. »Habe ich nicht bereits genug um die Ohren?«

Doch das ist die falsche Frage, denn:

»In der Humanmedizin konnte ein Zusammenhang zwischen der Umsetzung einer RCC [beziehungsorientierte Medizin] und verschiedenen Zielgrößen nachgewiesen werden, die auch in der Veterinärmedizin von Wert sind. So konnte die Therapietreue verbessert, die Zufriedenheit von Ärzten und Patienten gesteigert, die Anzahl von Klagen auf Behandlungsfehler verringert und die Patientengesundheit verbessert werden«, sagt Alina Küper und bezieht sich damit auf drei Studien aus den Jahren 1988-2000.

Zu diesen Erkenntnissen waren auch wir seinerzeit an der Uni gekommen. Größere Zufriedenheit auf beiden Seiten. Dann klappt es mit der Arbeitsbeziehung. Es gibt weniger Klagen. Letztlich auch mehr Freude am Job.

Denn immer geht es ja auch darum, dass (Tier)-Ärztinnen auch nur Menschen sind. Menschen mit einem sehr anspruchsvollen Job. In dem fühlen sie sich beizeiten auf den Schlips getreten. Manchmal auch überfordert von den Erwartungen, die an sie gerichtet werden.

Deshalb denke ich, dass wir uns als Patienten auch empathisch zeigen sollten. Zumindest, wenn wir nicht gerade komplett emotional überfordert sind. Wir müssen nicht immer sofort unsere Kritik auf Bewertungs-Portalen loswerden. Wir können auch mal großzügig sein.

So dachte ich mir zuletzt, dass der Doc nach einem anstrengenden Vormittag offenbar Hunger hatte. Dass er deshalb nicht ganz bei mir war. Gönne ich ihm die Mittagspause, dachte ich mir. Welches Medikament Luzi so geholfen hat, frage ich ihn dann beim nächsten Mal.

Auch das gehört für mich zu partnerschaftlichem Vorgehen.

Beteilige dich an der Unterhaltung

2 Kommentare

  1. „ Gönne ich ihm die Mittagspause, dachte ich mir. Welches Medikament Luzi so geholfen hat, frage ich ihn dann beim nächsten Mal.“

    Du bist eine Gute. Dann bin ich mal gespannt!

    Ansonsten: ausgewogener Beitrag. Wenn alle Tierbesitzer sich so einbringen würden und so verständnisvoll sind wie du.

    ‚If They Only Could Talk‘ mit Tierarzt Dr. Herriot fällt mir ein. Wenn Tiere reden könnten. Das Thema Schmerzmedikation ist z.B. eines, wo ich bei Tierärzten in München noch verzweifle. Wenn ich zum zweiten Mal in die Praxis komme und sage, das Tier hat aber schon Schmerzen, wirds nicht geglaubt und herumgezögert (Fall Ohrenentzündung bei Murr). Mich macht so etwas sehr grantig. Zeichen von Schmerzen voll da: Rückzug und komische Sitzhaltung, kein Spiel und keine Entspannung bei der Katze mehr, plus komischer leidender Gesichtsausdruck.

    Meine persönliche Lösung: Merke mir die Praxis und werde sie maximal nur noch höflich aber distanziert zum Impfen einsetzen, wo man nicht viel kaputt machen kann (werden Impfgegner natürlich anders sehen …). Das zum Thema Compliance und Treue zur Praxis.

    Meine Treue ist durch solche gehäuften Erlebnissen, dass dem Tierhalter nicht geglaubt wird und stattdessen in Millisekundenschnelle plötzlich der Old School Habitus herausgekramt wird, nicht mehr sehr hoch.

    Tierärzte haben auch eine sehr hohe Burnout-Rate. Das kann ich nachvollziehen, viele Einschläferungen, wenig Zeit, die Ansprüche der Tierhalter sind hoch, aber die Tierhalter-Kunden selbst sind auch oft recht nachlässig, manchmal auch ohne rechten Verstand (füttern trotz bedenklicher Diagnose z. B. immer noch schädliches Futter aus Bequemlichkeit); es ist hohe Emotionalität im Spiel, besonders bei schweren Krankheiten, schwierigen Diagnosen und einsamen Tierhaltern, die zuhause niemand auffängt.

    Ich befürworte wie du die Pflicht zum Kommunikationstraining in der Ausbildung, es kann tatsächlich für beide Seiten das angestrengte Leben vereinfachen.

    Guter Beitrag!

    1. Gerade entdeckt: Balint-Gruppen für Tiermediziner, also Arbeitsgruppen mit dem Ziel, die psychosoziale Kompetenz zu verbessern und Burnout vorzubeugen. Steckt für Tiermediziner noch komplett in den Kinderschuhen, wäre aber absolut sinnvoll und scheint wohl auf Interesse zu stoßen.
      Mein damaliger Chef (mittlerweile leider verstorben) hat lange Jahre Balint-Gruppen geleitet. Ob er wohl auch Tierärztinnen aufgenommen hätte? Ich werde ihn leider nicht mehr fragen können. Aber ich bin mir ziemlich sicher, dass er den ganzen Themenkomplex sehr spannend gefunden hätte.

Schreibe einen Kommentar

Die im Rahmen der Kommentare angegebenen Daten werden von uns dauerhaft gespeichert. Cookies speichern wir nicht. Für weitere Informationen siehe bitte unsere Datenschutzerklärung.

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert