Katze wählt Menschen – nicht umgekehrt

Wenn mir das eine/r früher mal gesagt hätte. Dass ich mein Herz an eine schüchterne, moppelige Frackträgerin verlieren würde. Zwar hatte ich immer gedacht, dass ich mal mit einer Katze zusammenleben würde. Aber die hatte ich mir a) selbstbewusster, b) zierlicher und c) silbergrau-getigert vorgestellt. Nun kommt es aber immer so, wie es kommen soll. Und im besten Fall ist es die Katze, die ihren Menschen wählt. Denn dann ist alles andere nicht mehr wichtig.

Wenn die Katze einen Menschen wählt

Daran habe ich keinen Zweifel: Luzi hat mich ausgesucht, nicht ich sie. Auch bin ich sicher: Wenn die Katze ihren Menschen wählt, bleibt dem Menschen gar nicht mehr viel übrig, als »Ja, ich will!« zu sagen.

Klar, es gibt immer wieder Menschen, die sich widersetzen. Oder es gibt gute Gründe, warum es dann doch nicht passt. Romy und ich waren zum Beispiel mal am Tag der offenen Tür im Tierheim zu Besuch. Und da war plötzlich mein kleiner Traumtyp von Katze. Graugetigert, zierlich und – wie ich fand – auch ziemlich selbstbewusst. Ich hatte jedenfalls nicht mehr getan, als ihr auf reichlich Distanz freundliche Blicke zu schicken.

Dass diese Katze sich mir dann immer wieder näherte und sich durch einen Zaun streicheln ließ, sorgte allerdings für Aufmerksamkeit. Offenbar war es sonst gar nicht ihre Art, sich so aufgeschlossen zu zeigen.

Verzückt von der Situation und dem Gefühl, dass diese Katze gerade mich wählt, ließ ich mich bequatschen, für sie vorzusprechen. Um dann zu erfahren, dass die kleine Maus eine begeisterte Freigängerin war. Freigang aber kann ich gar nicht ermöglichen. Also verließ ich das Tierheim, wie ich gekommen war: ohne Katze.

Auch Katzen werfen ihren Blick

Katzen machen eigentlich nichts anderes als Menschen, wenn sie ihr Interesse an einem anderen zeigen wollen: Sie werfen ihren Blick. Die selbstbewussten unter ihnen machen das vielleicht sogar ziemlich routiniert. So jüngst geschehen im Garten einer Freundin.

Ein kleines, extrem zierliches, silbergraues Katzenmädchen kam plötzlich aus Nachbars Garten und schaute uns neugierig mit ihren leuchtend gelben Augen an. »Ich weiß nicht, wohin die gehört«, sagte meine Freundin. Und erzählte mir dann, dass die Kleine ihr die Tage zuvor beim Wässern der Pflanzen genau zugeschaut habe.

Eigentlich halte ich mich seit Luzi fern von anderen Katzen, aber hier konnte ich doch nicht anders. Selbstbewusst, zierlich, silbergrau – voll mein Beuteschema. Also ging ich auf sie zu. Mit dem Effekt, dass die kleine Lady sich sofort zu meinen Füßen räkelte und von mir streicheln und knuddeln ließ.

Dabei hatte ich aber das Gefühl, dass es gar nicht um mich ging. Vielmehr hatte ich das Gefühl, dass die kleine Lady ihren Blick bereits auf meine Freundin geworfen hatte. Und dass sie damit schon fast erfolgreich gewesen war. Denn auch wenn meine Freundin nicht wollte, dass die Katze in ihre Wohnung lief, war sie doch sehr angetan von ihren »schönen Augen«. Von diesem so »offenen und interessierten Blick«, den sie sehr »faszinierend« fand.

Nachtigall, ick hör dir trapsen, dachte ich. Hätte die kleine Lady nicht bereits ein Zuhause (sie war sehr gepflegt) und wäre meine Freundin ein Katzentyp (sie mag lieber Hunde), ich würde sagen: Da könnte was gehen!

Luzi zeigt, wie es richtig geht

Nun kam ich mit schlechtem Gewissen nach Hause. »Ich bin fremdgegangen«, habe ich Romy beschämt getextet. Und im Kopf hatte ich immer noch die Szene, wie die kleine Lady sich vor mir auf dem Boden räkelte und von mir streicheln ließ. Leider hatte ich im Eifer der Situation kein Foto von ihr gemacht. »Schande!« schrieb ich Romy. Aber auch: »Wie sollte ich solche Fotos nur Luzi erklären?«

Tags drauf zeigte mir Luzi dann, wo der Hammer hängt. Offensichtlich hatte sie mal wieder mehr mitbekommen, als möglich ist. Jedenfalls lagen wir so Siesta-mäßig auf dem Bett herum, sie auf mir, als sie sich plötzlich von mir herunterrutschen ließ. Halb zog es sie, halb sank sie hin, könnte man sagen. Jedenfalls hielt sie dabei die ganze Zeit Blickkontakt und schien ganz genau wissen, was sie mir damit sagen wollte.

Nun lag sie da, in meinem Arm, an mich gekuschelt. Und diesmal hatte ich die Kamera zur Hand. Schaffte es dennoch nicht, per Foto festzuhalten, wie sie es hinbekommen hat, sich über ihre Längsachse zu drehen. Ich sage nur so viel: Wir Unsportlichen sehen bei solchen Übungen nicht zwangsläufig grazil aus.

Sollte es aber tatsächlich ihre Absicht gewesen sein, mir zu zeigen, wie das mit dem Räkeln und dem Ausdruck von Bezogenheit und glückseliger Vertrautheit funktioniert – Luzi hatte es mal wieder geschafft.

Bindungsfähigkeit von Katzen

Der erste Blick, den Luzi mir geschenkt hat, war noch so ganz anders. So schüchtern. Aber doch auch so reizend. Damals hätte ich das so noch nicht bestätigt, aber genau genommen war da eigentlich schon alles klar.

Wahrscheinlich hat Luz sich in der Folge immer wieder gefragt, was all der Aufriss soll. All die Kennenlern-Besuche. Dabei hatte sie doch schon längst entschieden, dass das mit uns beiden was werden kann. Allein ich brauchte aber doch noch ein wenig mehr Zeit.

Ohnehin bin ich der Überzeugung, dass das Problem eigentlich immer nur wir Menschen sind. Wir haben irgendwelche Ideen im Kopf, wie irgendetwas zu sein hat. Viele von uns erwarten nichts weniger als Perfektion. Andere möchten nicht zu viel Zeit investieren und denken, eine Katze sei dann die beste Wahl, weil Katzen ja so unabhängig und selbständig sind.

Und dann gibt es ja auch immer wieder Studien, die das zu bestätigen scheinen. 2015 zum Beispiel hatte die FAZ über eine solche Studie berichtet und war zu dem Schluss gekommen, dass Katzen nahezu unfähig zur Bindung seien.

2019 berichteten dann Die Welt und NTV über eine andere Studie, die mit derselben Methode wie die Kollegen vier Jahre zuvor nun die Bindungsfähigkeit von Katzen bestätigt hatten. Ja, sie kamen gar zu dem Ergebnis, dass diese Bindung der von Kleinkindern gleicht.

Wenn die schüchterne Katze wählt

Nun könnte ich nicht sagen, wie Luzi bei diesem Bindungstest abschneiden würde. Sicher, unsicher oder ambivalent? Wir könnten es gar aber nicht testen, denn wesentlicher Bestandteil des Tests ist der fremde Ort. Zu dem würden wir gar nicht erst kommen, dazu ist Luzis Angst vor der Transportbox viel zu groß.

Mein Punkt ist aber: Bei den zitierten Studien ist gar nicht bekannt, wie die Katzen sonst so getickt haben. Waren sie Freigänger/innen? Hatten sie sich ihre Menschen ausgesucht oder waren sie nach Kriterien wie Rasse und Aussehen zu ihren Menschen gekommen? Hatten sie eine klare Bezugsperson? Gab es kätzische Mitbewohner/innen? Und vor allem: Waren sie wie Luzi sehr schüchterne Katzen oder strotzten sie wie die kleine graue Lady voller Selbstbewusstsein?

Mein kleines Studienobjekt sagt mir jedenfalls jeden Tag, dass es gut war, mich ihrer Wahl ergeben zu haben. Von der Bindung, die zwischen ihr und mir mittlerweile herrscht, hätte ich vor drei Jahren gar nicht zu träumen gewagt. Ja, es hat etwas länger gedauert, bis wir uns so richtig zusammengerauft hatten. Und okay, wir werden wohl niemals zusammen Tango tanzen können, weil sie sich nicht auf den Arm nehmen lässt. Aber damit kann ich leben.

Zumal ich am Ende des Tages also doch mit meinem Traumtypen von Katze zusammenlebe: mit meiner übergewichtige Panthera, schüchtern und unsportlich. Ich musste das vielleicht erst verstehen lernen. Aber zum Glück wusste Luzi von Beginn an mehr als ich. So auch Romy, die das Ding zwischen uns beiden ja vermittelt hat.

Wen interessieren da noch kleine selbstbewusste Ladies, die zum Schluss doch ihren Willen bekommen? Denn natürlich hat die kleine silbergraue Freigängerin noch die Wohnung meiner Freundin heimlich erstürmt. War doch klar! Irgendwann wird das auch meine Freundin verstehen.

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